Natur pur in Dalsland-Nordmark

„Sucht man Einsamkeit, Wildnis und Herausforderungen, fällt die Wahl wie selbstverständlich auf den Stora Le.“

Dieser markige Satz steht im Kanuführer „Kanuland Dalsland-Nordmark“ als Einleitung für die Beschreibung der Seenlandschaft Dalslands. Ein optimales Reiseziel, denken mein guter Freund Andreas und ich uns, um in diesem Jahr unsere Paddelkünste zu trainieren und Natur und Freiheit zu genießen.

Die Seenregion Dalsland-Nordmark liegt in Westschweden in den Provinzen Västra Götalands län und Värmlands län, ca. 150 km nördlich von Göteborg und reicht bis über die norwegische Grenze hinaus. Die Region zählt mit seinen zahlreichen Flüssen, Nadelwäldern, Wiesen und Seen, von denen der Vänern der größte Binnensee Schwedens und der drittgrößte See Europas ist zu einer der schönsten Seenlandschaften Europas. Prinz Eugen von Schweden nannte sie „Schweden in Miniatur“, auf Grund ihrer landschaftlichen Vielfalt. Die Landschaft ist vor ca. 10.000 Jahren durch Reibungs- und Aushöhlungsprozesse unter dem herrschenden Gletschereispanzer entstanden und ist bis heute geprägt durch diese eiszeitliche Vergangenheit welche sich in der Geomorphologie, sowie der Flora und Fauna widerspiegelt. Felsige Zungenbeckenseen mit steilen Abbruchkanten, kalkige Magerwiesenböden, Blut-Weiderich und das glasklare Wasser mit bis zu 30 verschiedenen Fischarten, unter denen Hecht, Brasse und Plötze die häufigsten sind, ziehen jedes Jahr eine Vielzahl von Touristen und Naturbegeisterten an. Die langgestreckten Zungenbeckenseen, zum Beispiel der Stora Le mit einer Länge von 50 km sind durch schmale Zuflüsse, oder künstlich angelegte Staustufen miteinander verbunden und bieten ein phantastisches Paddelrevier für entspanntes, aber auch anspruchsvolleres Paddeln, bei aufkommendem Wind. Der von Nils Ericson zwischen 1864 und 1868 erbaute Dalsland-Kanal, verbindet die größten Seen miteinander und bildete schon damals eine wichtige Handelsroute, auf der Eisenerz und Sägeholz zwischen Stora Le und Köpmannebro transportiert wurde. In dieser wunderschönen, naturbelassenen und nur dünn besiedelten Region wollen wir uns 14 Tage aufhalten und eine 100 km lange Paddeltour durch die Seen Stora Le, Foxen und Lelång unternehmen.

„All begynnelse är swår.“ oder auf Deutsch, „Aller Anfang ist schwer.“, sagt man in Schweden und so dauert das packen unserer zwei Seayaks, mit denen wir unterwegs sind unglaubliche fünf Stunden. Erst dann sind alle Lebensmittel, Ausrüstungsgegenstände und Wertsachen, wie Fotoausrüstung wasserdicht und sicher in den Booten verpackt.

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Beteiligten des VKB ganz herzlich dafür bedanken, dass wir uns diese beiden Boote für diese tolle Tour ausleihen durften. Mein besonderer Dank geht hierbei an Margot und Rolf, ohne deren großzügige Spende an den VKB diese Reise so perfekt nicht möglich gewesen wäre, an den Vorstand des VKB, der uns das so ermöglicht hat und an Werner für Tipps & Tricks und Ausrüstungsleihgaben! DANKE!

Trotz durchwachsenem Wetter, obwohl wir Ende Juli, Anfang August unterwegs sind verläuft die Tour perfekt. Es gibt fast keine Verluste oder Ausfälle zu beklagen, bis auf zwei Wasserkanister die leider schon mit Loch gekauft wurden. Tatonka ist auch nicht mehr das, was es einmal war!

Unsere Tour führt uns durch den weitläufigen und wunderschönen Stora Le, der neben steilen Felsenwänden auch kleine Kies- und Sandstrände zu bieten hat, die es zu finden gilt, wenn man, so wie wir wild zelten möchte, um ein ganz besonderes Freiheits- und Naturgefühl zu erlangen. Außerdem steht dann einem ausgiebigen Bad im glasklaren, kalten Wasser des Sees nichts mehr im Weg. Um die Natur nicht zu schädigen, verzichten wir auf unserer Paddeltour auf parfümierte Seifen, oder Spülmittel und verwenden ausschließlich ökologisch abbaubare Seife. Wenn man sich ein wenig vom Seeufer entfernt, kann man durch dichte Nadelwälder streifen. In ihnen sind Farne, Wachtelweizen, Pilze, wie  die für diese Region typische Rotkappe, unterschiedlichste Beerenarten, wie Blaubeeren, Preiselbeeren und Erdbeeren, aber auch Elche, Frösche, Kröten und anmutig fliegende Libellen heimisch. Durch diese abwechslungsreiche Landschaft wird auch ein durch Regen bedingter Wandertag zu einem abwechslungsreichen Erlebnis.

Unser erster Anlaufpunkt ist die kleine Ortschaft Nössemark, die etwa auf der Hälfte des Stora Le am Westufer liegt. Auf dem neu angelegten Campingplatz kann man ohne Probleme seine Wasservorräte aufbessern und in dem nahe gelegenen, kleinen Einkaufsladen eine Kleinigkeit einkaufen. Der Campingplatz verströmt durch seine bunten Häuschen und viele kleine Dekorationsgegenstände eine lustige, angenehme Hippie-Atmosphäre. Kulturelle Höhepunkte sucht man hier eher vergebens. Aber das ist uns erst einmal egal und so genießen wir unseren Einkauf standesgemäß bestehend aus kalter Limonade und den typisch schwedischen Fleischfrikadellen, Köttbullar und Fladenbrot.

Nachdem wir den Stora Le durchquert haben, gelangen wir in den breiteren Hauptsee der Region Dalsland, den Foxen. Neben dem Stora Le münden in den Foxen die Seen Lelång, Töck und Övre und der Nedre Blomsjön. Durch seine zahlreichen Inseln, die größtenteils Naturschutzgebiete für Prachttaucherbrutplätze sind, wird der Foxen auch „See der tausend Inseln“ genannt. In ihm treffen viele Kanuten aus dem ganzen Seengebiet aufeinander. Die meisten von ihnen sind mit geliehenen Kanadiern und bunten Leihzelten unterwegs und durchbrechen die Ruhe mit ihren Rufen. Hierbei sind vorrangig zwei Sprachen zu hören, norwegisch und deutsch. Wenn man sich einen Urlaub weit ab der Zivilisation mit Einsamkeit und Wildnis vorgestellt hat, ist man hier fehl am Platze. Die Zeltplätze haben in dieser Region alle eine Kanuzentrale mit Leihbooten und geführten Touren, welche die umliegenden Ufer und Inseln mit ihren uniformen Zelten bevölkern. Wenn man aber ein paar Kilometer außerhalb der Reichweite der Zeltplätze und Tagesetappen ist, hat man wieder seine Ruhe.

In Lennartsfors passieren wir die einzige Schleuse unserer Route. Das Schleusen kostet pro Kajak 90 Schwedische Kronen und ist ein Zeitaufwand von etwa einer Stunde, der sich aber lohnt. Die Schleuse ist als direkte Verbindung zwischen dem Foxen und dem Lelång, als Teil des Dalsland-Kanals in den Felsen gesprengt worden. Sie überwindet in drei Staustufen eine Gesamthöhe von 7,5 Metern. Ausgekleidet ist die Schleuse mit dicken Holzstämmen, welche die Boote vor den frei liegenden Felsen schützen, an denen wir uns gut festhalten können um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Nachdem wir diese Hürde passiert haben beginnt das letzte Stück auf unserer Tour. Wir müssen den Lelång südwärts bis nach Ärtemark entlangfahren, dem Ziel unserer Paddeltour.  Das Landschaftsbild hat sich nur geringfügig geändert, denn der Lelång hat im Gegensatz zum Stora Le nicht ganz so steile Felsenkanten mit besseren Anlandestellen. Durch ein geschultes Auge und ein wenig Glück haben wir auf unserem letzten Zeltplatz wieder einmal einen traumhaften Sandstrand, an dem wir bis spät in die Nacht die Aussicht mit einem Glas Wein genießen. Hier ist genug Zeit für Müßiggang und so gehen wir unseren Beschäftigungen nach. Angeln, Fotografieren, Tagebuchschreiben und Schnitzen sind die typischen Beschäftigungen auf so einer Tour und befreien Körper und Geist vom überflüssigen Ballast. Nach einem erholsamen Ruhetag haben wir genug Energie gesammelt für die letzte Etappe unserer Paddeltour. 25 Kilometer auf dem Lelång liegen vor uns. Punkt genau dreht der eigentlich sehr kontinuierlich wehende Westwind und bläst uns heute von Süden kommend entgegen. Das Ziel vor Augen rackern wir uns Stunde um Stunde bis zum Zeltplatz in Äremark ab. Glücklich, aber auch ein wenig erledigt erreichen wir am Abend den Zeltplatz und checken mit einem gewaltigen Sonnenbrand im Gesicht und hängenden Armen ein. Damit beenden wir unsere Paddeltour.

Unsere Reise ist aber noch nicht zuende. Um zu unserm Auto in Ed zu gelangen haben wir uns eine ausgedehnte Wanderung von ca. 33 Kilometern vorgenommen. Die Strecke verläuft an der Straße entlang durch die weitläufige schwedische Landschaft quer durch das Seengebiet Dalslands. Mit diesem Gewaltmarsch ist der Aktivurlaub nun endgültig beendet. Um unseren Geist auch ein wenig zu trainieren hängen wir noch ein paar Tage in Oslo und Kopenhagen als Erholung an. Oslo ist eine wunderbare Stadt, die neben vielen Gesichtern auch eine Vielzahl von beeindruckenden Museen und Kultureinrichtungen zu bieten hat. Negativ stößt uns nur auf, dass Oslo vor Kurzem Moskau als teuerste Stadt der Welt abgelöst hat. Diese finanzielle Last können wir durch unsere übrig gebliebenen Nahrungsmittel von der Tour ausgleichen. Auch Kopenhagen ist einen Besuch wert, denn wer möchte nicht einmal der schönen kleinen Meerjungfrau im Hafen in die Augen blicken und vom großen, weiten Meer träumen.

Als Resümee der Reise kann ich nur sagen, dass es ein perfekter Urlaub in einer, für Paddler und Naturfreunde nur wärmstens zu empfehlenden Region war.

Astrid Lindgren, aus deren Büchern mir meine Mutter jahrelang auf unseren Skandinavienreisen vorgelesen hat, hat einmal gesagt, „Prahlen sollst du erst auf dem Heimweg.“ Frei nach diesem Motto freue ich mich darauf euch weitere Urlaubserlebnisse am Lagerfeuer, bei einem kühlen Bier zu erzählen.

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